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Das teuerste Haus Deutschlands und irrationales Marktverhalten

Am Immobilienmarkt werden momentan alle Rekorde gebrochen.

Da lese ich heute in den Branchen-News, eben wurde in Deutschland das bisher teuerste Gebäude verkauft: Die Allianz-Versicherung erwarb gemeinsam mit der bayrischen Vorsorgekasse um 1,4 Milliarden Euro den 233 Meter hohen Büroturm T1 in Frankfurt, der erst 2025 fertiggestellt werden soll. Erstmals wurde damit die Grenze von einer Milliarde Euro für ein einzelnes Gebäude übersprungen.

Gleichzeitig steht in einem anderen Artikel, in der Tageszeitung „Die Presse“:

„Österreich ist das teuerste Land Europas, wenn man eine Neubauwohnung kaufen möchte, obwohl so viel gebaut wird wie noch nie. Wer kann sich das noch leisten?

10,9 Bauprojekte pro 1.000 Einwohner wurden im vergangenen Jahr initiiert. Laut der Unternehmensberatung Deloitte ist das in Europa einsame Spitze.“

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil diese Meldungen meiner Meinung nach symbolhaft stehen für die Situation am Immobilienmarkt (ähnlich auch dem Aktienmarkt).

Viel zu viel Kapital trifft auf viel zu wenig Angebot.

Was dann passiert, ist für jeden logisch nachvollziehbar: Die Preise steigen.

Für die jüngeren Kolleginnen und Kollegen unter uns, die erst nach der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 in den Immobilienmarkt eingestiegen sind, mögen das alles frohe Botschaften sein.

Mir gibt es zu denken. Wenn man so wie ich über 30 Jahre in der Branche tätig ist, dann weiß man, es gibt keine Einbahnstraße, die immer nur nach oben führt, und jeder Boom geht irgendwann mal zu Ende.

There is no free lunch, sagen die Engländer dazu.

Hand in Hand mit den Preisexplosionen und Rekordwerten ist in zunehmendem Maße ein irrationales Verhalten der Marktteilnehmer – sowohl der Käufer als auch der Verkäufer – zu beobachten.

Kaufinteressenten, die über viel Bargeldreserve verfügen, geraten geradezu in Panik ob zu zahlender Negativzinsen (vulgo Verwahrentgelt) und/oder wieder auferstandener Inflationsgespenster. Da will man sich, bevor die Welt untergeht, gleich noch mit Ware (= Immobilien) eindecken und zahlt schon fast jeden Preis. Rendite zu erzielen ist gar nicht mehr primäres Ziel, sondern es geht darum, die Asset-Protection, also Cash, in Ziegel zu wechseln.

Auf der anderen Seite die Verkäufer, die sich wie im Schlaraffenland fühlen. Wer jetzt verkauft, profitiert von oftmals nie geahnten Rekordpreisen.

Wenn sich mehrere Kaufinteressenten um ein Haus streiten, dann kommt man als Verkäufer schnell auf die Idee, dass da noch ein bisschen mehr geht.

Womit wir vor allem in Deutschland, wo durch Angebot und Annahme (neuhochdeutsch LOI) keine Bindungswirkung entfaltet wird, zu kämpfen haben. Es gestaltet den Transaktionsprozess besonders schwierig.

Wir hatten im letzten Jahr leider gehäuft Fälle, wo schriftliche Vereinbarungen mit den Verkäufern nicht das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben wurden. Kommt ein noch besseres Angebot, kann oder besser will sich der Eigentümer nicht mehr an sein Wort erinnern. Handschlagqualität, Kaufmannsehre, alles Schnee von gestern.

Oder wir enden in einem Bieterverfahren, in einer Preisschlacht, in der sich die Interessenten gegenseitig überbieten. Auch das haben wir bei guten Objekten in der letzten Zeit immer öfter erlebt.

Viele Makler wirken in dieser Situation nicht beruhigend auf das Marktgeschehen ein, sondern im Gegenteil, sie befeuern auch noch die Gier, die ohnehin schon den Markt regiert, damit sie an Aufträge kommen.

In der Finanzindustrie wird viel über die sogenannte Behavioral Finance nachgedacht.

In der Theorie der traditionellen Ökonomie steht man auf dem Standpunkt, dass Anleger rational handeln und deshalb immer Entscheidungen treffen, die den erwarteten Gewinn maximieren und gleichzeitig das Risiko reduzieren.

Sowohl der Aktienmarkt als auch der Immobilienmarkt sind aber zu einem erheblichen Teil vom Faktor Psychologie abhängig. Jedes Verhalten wird durch Emotionen und Außenfaktoren beeinflusst. 

Was wir in den letzten Monaten erlebt haben, war alles andere als immer effizient und rational.

Eine wichtige Frage, der wir uns als Mitspieler im Monopoly zu stellen haben (abgesehen von der Eine-Million-Euro-Quiz-Frage „Wie komme ich zu guten Objekten?“), wird in Zukunft sein, wie wir mit diesem irrationalen Verhalten von Marktteilnehmern umgehen.